Europas unwissende Stubenhocker - ja, nee, is klar...
Der UniSpiegel hat in einem seiner neuesten Artikel die hiesigen Studenten ziemlich heruntergeputzt:
Was den Auslandsaufenthalt an sich angeht: da sind sicherlich die größten Probleme nach wie vor der Papierkram und die Finanzierung. Die Anträge für Auslandsbafög umfassen einen recht großen Stapel - und ich kenne Leute, die haben ihre Bewilligung bekommen, da waren sie schon wieder zurück. Gibt dann zwar eine nette Nachzahlung, aber was macht man in der Zwischenzeit?
Das neue Studiensystem verspricht mehr Flexibilität, Mobilität und einen schnellen Einstieg ins Berufsleben. Doch das beeindruckt viele europäische Studenten offenbar kaum: Über die Hälfte weiß nur wenig über die Bologna-Reformen, die die Abschlüsse international vereinheitlichen. Ein Studium im Ausland ist für jeden zweiten kein Thema.Auch heißt es:
Nach dem Bachelor-Abschluss will jeder zweite sofort ein Masterstudium beginnen, am liebsten im Heimatland. Jeder dritte kann sich vorstellen, das Land zu wechseln, jeder zehnte die Hochschule und jeder elfte das Studienfach. Nur ein Viertel der Befragten plant das, was das System der gestuften Abschlüsse eigentlich vorsieht: Berufserfahrungen sammeln und später ein Master-Studium dranhängen.Natürlich plant kaum jemand, zunächst einmal Berufserfahrungen zu sammeln. Aus einem ganz einfachen Grund: die meisten bisher geschaffenen Bachelor-Abschlüsse sind nichts anderes als das bisherige Vordiplom und nur eingeschränkt berufsqualifizierend. Kaum jemand in der deutschen Industrie braucht einen Bachelor (ich habe jedenfalls noch von keinem gehört) - und wenn doch, sind sie schlecht bezahlt. Warum sollte ich als Student beschließen, nach den drei Bachelor-Jahren zunächst einmal einen schlecht bezahlten Job anzunehmen, um anschließend noch einmal zu studieren, wenn ich das Masterstudium gleich daran hängen kann, um danach in einen besser bezahlten Job einzusteigen.
Was den Auslandsaufenthalt an sich angeht: da sind sicherlich die größten Probleme nach wie vor der Papierkram und die Finanzierung. Die Anträge für Auslandsbafög umfassen einen recht großen Stapel - und ich kenne Leute, die haben ihre Bewilligung bekommen, da waren sie schon wieder zurück. Gibt dann zwar eine nette Nachzahlung, aber was macht man in der Zwischenzeit?
EMFD-Direktor Eric Cornuel sieht aufgrund der Studienergebnisse noch erheblichen Handlungsbedarf: "Es muss noch deutlich mehr getan werden, um den Wissenstand der Studenten erhöhen. Schließlich sind sie diejenigen, die von den Reformen profitieren."Offensichtlich sehen das die Studenten anders, vielleicht sind sie ja nicht die großen Profiteure. Vielleicht wäre es ja doch angebracht gewesen, vorher mal die zu fragen, die es direkt betrifft: die Studenten nämlich.
Labels: Kritisches
3 Comments:
Richtig. Bei den neuen BA/MA-Abschlüssen sehe ich 4 Probleme:
1.) Über kurz oder lang wird nur noch das BA-Studium kostenlos sein, da das MA-Studium als Zweitstudium zählen wird.
2.) Der BA ist von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht berufsqualifizierend. (Wie Du richtig feststellst.) Da:
3.) Der BA ist meist nichts anderes als die alte Zwischenprüfung plus eine etwas bessere Seminararbeit. Auch der MA ist gegenüber dem (International anerkannten) Magister bedeutend schwächer, da nur ein Fach bis zur Prüfung fortgeführt werden. (Früher bis zu drei!)
4.) Viele kleinere Unis haben kaum die Möglichkeiten zertifizierte MA-Studiengänge anzubieten, da es dort aufgrund der dünnen Personaldecke kaum Möglichkeiten für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit gibt. Der Gesetzgeber, der v.a. Studenten die Möglichkeite eröffnen wollte, europaweit den Studienort zu wechseln, wird in der Zukunft Studenten zwingen nach dem BA an eine andere Universität zu wechseln, wenn die Heimatuni kein passendes MA-Studium anbieten kann.
Den "Papierkram" würde ich nicht als Haupthindernis für ein Auslandsstudium bezeichnen. Ich finde, das sollte einem die Erfahrung doch wohl wert sein. Nein, das größte Hindernis liegt neuerdings woanders: im Fehlen eines geeigneten Zeitpunkts. Im Rahmen der alten Magister- und Diplomstudiengänge bot es sich an, nach der Zwischenprüfung/dem Vordiplom für ein oder besser noch zwei Semester ins Ausland zu gehen. Dann hatte man sich bereits Grundwissen angeeignet, stand aber auch noch nicht kurz vor dem Examen.
Die neuen, kürzeren Bachelorstudiengänge dagegen sind so stark durchstrukturiert, dass eigentlich kaum Zeit für (wenigstens) ein Auslandssemester bleibt. Nach dem ersten Studienjahr kann man noch nicht gehen, denn das würde z.B. im Falle eines Aufenthalts an einer amerikanischen oder kanadischen Uni bedeuten, dass man sich wegen der langen Vorlaufzeit (auch bei Stipendien) schon vor Beginn des Studiums in Dtschld. bewerben müsste, was absurd ist. Nach dem zweiten Studienjahr beginnt aber bereits die Studienabschlussphase, und wer möchte sich kurz davor noch einmal in die Welt hinaus begeben, wenn überall ein zügiger Studienabschluss ggf. unter Androhung von Sanktionen gefordert wird? Die "Abenteuermentalität", die bei früheren Studentengenerationen für die Motivation zum längeren Auslandsstudium zumindest mitverantwortlich war, hat unter Bologna-Bedingungen kaum mehr eine Chance. Bloss keine Zeit verlieren ist die neue Devise.
So wird es eventuell darauf hinauslaufen, dass während des Bachelor-Studiums höchstens noch "Mini-Auslandsaufenthalte" von 3-6 Monaten möglich sind und ein längeres Auslandsstudium zum Privileg der Graduierten wird, die dann komplette Master-Programme im Ausland absolvieren. Somit wird der "brain drain", der eigentlich durch die Internationalisierung der deutschen Hochschullandschaft gestoppt werden sollte, tendenziell eher noch verstärkt.
Transatlanticker: da hast du natürlich recht, in Zukunft wird das sicher mit das Hauptproblem sein. Einig sind wir uns aber, denk ich, dass die neuen Strukturen nicht den gewünschten Effekt bringen werden.
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