(Update unten...)
Nachdem das
BILD-Boulevarblatt hier schon vor einigen Tagen Versicherungsnehmer unter Generalverdacht genommen hat, kam jetzt (Ende Januar 2006) auch bei Galileo bei Pro 7 ein entsprechender Beitrag.
Grundtenor der beiden Beiträge:
- die Versicherungswirtschaft wird jedes Jahr um 4 Mrd. Euro geprellt
- jeder vierte Versicherungsnehmer hat schon mal die Versicherung betrogen
- jeder zehnte Autounfall ist getürkt, um die Versicherung zu betrügen
Maßgeblich an der Aktion beteiligt war der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft GDV, der mit solchen Aktionen schon in der Vergangenheit auf sich aufmerksam gemacht hat, beispielsweise
hier.
Folgende Fragen stellen sich mir dabei:
- Für Autoversicherungen hat selbst ein Unschuldiger mittlerweile fast immer eine Teilschuld und gelangt damit in eine höhere Versicherungsstufe - ist das jetzt schon Betrug an den Versicherten?
- Will der GDV nur mal wieder für seine Mitglieder die nächste Runde der Preiserhöhungen vorbereiten?
- Warum wird nicht darauf hingewiesen, dass nach Einschätzungen des GDV selbst die Bereitschaft der Versicherungsnehmer direkt mit der Unzufriedenheit gegenüber der Versicherung zusammenhängt, und es außerdem einen Trend weg vom "Volkssport Versicherungsbetrug" hin zum bandenmäßig organisierten Betrug gibt (der ja gar nichts mit dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu tun hat)? Quelle: Polizei-Newsletter Nr. 65, Juni 2004
Interessant auch ein
Zeit-Artikel aus dem Jahr 2003 zu dem Thema:
Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für das vergangene Jahr lediglich 8876 Verfahren wegen Betruges zum Nachteil einer Versicherung und Versicherungsmissbrauch (siehe Kasten) aus. Das entspricht rund einem Prozent aller Betrugsverfahren. Vergleichbar viele Verfahren gab es zu Vergewaltigung und sexueller Nötigung (8615) - es würde aber deswegen wohl niemand auf die Idee kommen, vom "Volkssport Vergewaltigung" zu sprechen.
und weiter
Ungeachtet der fehlenden Belege für das angeblich massenhafte Betrugswesen, treiben die Versicherer die Datenerfassung verdächtiger Kunden voran. "Uniwagnis" heißt das Hinweissystem, das seit Mitte der Neunziger eingesetzt wird. Über drei Millionen Datensätze sind den Angaben zufolge derzeit gespeichert. Erst nach fünf Jahren werden Einträge wieder gelöscht.
Über dieses System wurde auch bei Galileo berichtet. Dort hieß es, es würden des Versicherungsbetrugs verdächtige Personen verschlüsselt aufgenommen, um später durch andere Versicherer abgeglichen zu werden. Was Galileo verschweigt:
Wie Uniwagnis funktioniert, erläutert der Versichererverband so: "Bei Vorliegen bestimmter Kriterien, je nach Sparte unterschiedlich, werden vom meldenden Versicherungsunternehmen Name und Adresse dem GDV mitgeteilt." Wie Experten aus den Schadensabteilungen einzelner Versicherer anonym zugeben, können Verdachtskriterien unter anderem ein Unfall auf einsamer Landstraße, die Nationalität oder das Alter sein. Das hänge damit zusammen, dass zum Beispiel bei fingierten Autounfällen häufiger bestimmte Nationalitäten beteiligt sein sollen.
Aha. Also doch eine Art Generalverdacht. Zwar ist das Verfahren an sich mit den Datenschutzbeauftragten abgestimmt (ob allerdings auch Einzeilheiten, wie bsp. Wagnis aufgrund der Nationalität, wage ich zu bezweifeln), die Verhältnismäßigkeit ist aber meiner Meinung nach trotzdem nicht gegeben:
Mit harten Fakten tut sich die Versicherungswirtschaft auch bei Uniwagnis schwer. Der Erfolg sei "nicht in Zahlen messbar", heißt es. Der Informationsaustausch zwischen den Sachbearbeitern werde aber "als wichtig" bewertet. Es gehe im Übrigen "gleichermaßen auch um die Entkräftung eines Betrugsverdachtes".
"Zumindest das scheint zu gelingen", spottet Frank Braun vom Bund der Versicherten. "Wenn bei so viel High Tech nur so wenig konkrete Verfahren herauskommen, spricht das umso mehr dafür, dass die Branche schamlos übertreibt."
Braun setzt sich gleichwohl dafür ein, den Betrug im Versicherungswesen zu thematisieren - allerdings von der anderen Seite, den Betrug zum Nachteil von Versicherten. Einen spektakulären Vortrag bei der Wissenschaftstagung des Versichertenbundes hielt dazu kürzlich der Rechtsprofessor Felix Herzog von der Berliner Humboldt-Universität. Zu den "Grenzen und Möglichkeiten des strafrechtlichen Verbraucherschutzes" führte Herzog aus, eine im individuellen Fall unsinnige Lebensversicherung könne durchaus als Betrug durch den Vermittler zu werten sein.
Hmmm... noch Fragen?
Update 14.2.2007: Offensichtlich hat Galileo mal wieder den alten Beitrag (zumindest teilweise) hervorgekramt - heute wurde wieder über den Volkssport Versicherungsbetrug berichtet. Es kamen auch wieder die gleichen Beispiele (ein angeblich gefakter Auffahrunfall und ein kaputtes Mobiltelefon, wenn ich mich richtig erinnere). Was neues fällt denen auch nicht ein...
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